Willkommen auf dem HSBA Finance Blog!
Hinter diesem Projekt steht ein Team bestehend aus derzeit 14 finanzbegeisterten Student:innen der HSBA, die hier auf monatlicher Basis neue interessante Artikel rund um das Thema Finanzen und Wirtschaft veröffentlichen möchten.
Wir wollen eine große Bandbreite an verschiedenen Themen behandeln und unseren Leser:innen eine Plattform bieten, sich monatlich über die relevanten Themen in der Finanzwelt zu informieren.
Wir freuen uns, nun die erste Ausgabe veröffentlichen zu können und hoffen, dass etwas Interessantes für Dich dabei ist! Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und freuen uns über jedes Feedback, was Du uns auf Instagram (@hsbafinanceclub) oder per Mail an financeclub@myhsba.de hinterlassen kannst!

Monatliches Marktupdate
Der Juni verlief auf den Aktienmärkten weitestgehend positiv. Insbesondere die amerikanischen Indizes konnten zum Ende des Monats kräftig zulegen, was auf die Veröffentlichung der Arbeitsmarktdaten aus den USA zurückzuführen ist, welche positiver ausfielen als erwartet. Zwar ist die Arbeitslosenquote leicht um 0,1% auf 5,9% gestiegen, dennoch konnten im Juni 850.000 neue Stellen erschaffen werden. Insgesamt weist die weiterhin positive Entwicklung der weltweiten Impfungen und die konjunkturelle Erholung auf ein gutes Umfeld hin. Mitte des Monats wurde den Aktenmärkten ein kleiner Dämpfer versetzt, da die Fed angekündigt hat, die Zinsen aufgrund des starken Inflationsdruckes voraussichtlich im Jahr 2023 leicht erhöhen zu wollen. Im Gegenzug dazu haben diese Neuigkeiten zu einer positiven Veränderung für die Anleihemärkte geführt. So erhöhten sich in Folge der Nachricht beispielsweise die Renditen für fünfjährige US Anleihen um 0,1% und auch die Benchmark Rendite für zehnjährige Anleihen zog leicht an.
Quellen: handelsblatt.com, faz.net, briefing.com
Autorin: Xenia Krouptchenkova

AT& T: Technologiegigant will zurück zu den Wurzeln
AT&T ist ein US-Amerikanisches Unternehmen aus dem Technologiesektor und startete ursprünglich als Telekommunikationsdienstleister. In den letzten Jahren hatte das Unternehmen sein Portfolio um viele weitere Sektoren erweitert, so hatte AT&T beispielsweise 2018 den Medienkonzern Time Warner übernommen. Seitdem sind sie auch in der Medienbranche aktiv und setzen auf die gesamte mediale Wertschöpfungskette, von der Erstellung der Inhalte bis zum Fernseher des Kund:innen. Im letzten Jahr kam nun auch AT&Ts Streamingdienst HBO Max auf den Markt, die Strategie hierbei: Ein Qualitätsangebot schaffen, das sich von Netflix unterscheidet.
Dieser Versuch, sich einen Anteil am wachsenden Streamingmarkt zu sichern, spiegelte sich aber kaum im Kurs der Aktie wider. Dies ist zum Teil dadurch begründet, dass das Unternehmen seine Übernahmen in den letzten Jahren durch eine erhöhte Verschuldung ermöglicht hat, was im Allgemeinen als ein erhöhtes finanzielles Risiko wahrgenommen wurde, da Umsatz und Gewinnwachstum ausblieben. Sowohl mit Blick auf die einjährige Kursperformance (-10%) als auch auf fünf Jahre betrachtet (-37%) war AT&T in der Vergangenheit, zumindest hinsichtlich der Kursgewinne, kein gutes Investment.
Trotz dessen war AT&T in den vergangenen Jahren für manche Investor:innen einen genaueren Blick wert. Neben den sinkenden Kursen sorgten die stetig angehobenen Dividendenzahlungen der letzten 34 Jahre für eine außerordentliche Dividendenrendite von über 7% und waren für einige Investor:innen ein valider Kaufgrund. Mit einer Ausschüttungsquote auf den Gewinn, der in manchen Jahren die 100% überstiegen hat, war ein Richtungswechsel des Managements nur eine Frage der Zeit.
Wie wir im Hinblick auf die mediale Ausgangslage der letzten Wochen erkennen können, ist nun eine Fusion der Warner Media Sparte von AT&T und dem Wettbewerber Discovery geplant. Dies bedeutet für AT&T eine abrupte Kehrtwende, da der Konzern erst vor 3 Jahren 80 Milliarden Dollar für Time Warner zahlte. Mit der anstehenden Transaktion erhoffen sich beide Unternehmen, sich im zunehmend umkämpften Streamingmarkt gegenüber Wettbewerbern wie Netflix und Disney besser zu positionieren und Synergieeffekte zu nutzen. AT&T wird sich indessen nicht ganz aus dem Mediengeschäft zurückziehen, vielmehr sollen die Aktionär:innen des Unternehmens künftig 71 Prozent an dem neuen Medienkonzern halten. AT&T soll außerdem im Zuge der Transaktion insgesamt 43 Milliarden Dollar erhalten, teils in bar und teils in Form von Schulden, die bei Warner Media verbleiben.
Für AT&T besteht somit eine Chance, durch Schuldenabbau und das Konzentrieren auf die Stärken des Unternehmens wie den Ausbau von 5G und IoT, eine bessere Basis für zukünftiges Wachstum zu schaffen. Ein genauerer Blick und eingehende Analyse könnten sich in Zukunft eventuell für manche Investor:innen lohnen, letztendlich liegt aber eine mögliche Kaufentscheidung immer im Ermessen des Betrachters.
Disclaimer: Keine Kaufempfehlung, der Autor besitzt AT&T Aktien
Quellen: boerse.de, faz.net, alleaktien.de
Autor: Luca Schröder

Ausgewählte Kennzahlen für die Aktienanalyse
Bei der Geldanlage stehen Investor:inen vor der Entscheidung, aus unzähligen Aktien eine oder mehrere auszuwählen. In dieser Ausgabe besprechen wir kurz einige ausgewählte Kennzahlen, mit denen Aktien analysiert und verglichen werden können.
„Price to Earnings Ratio“ (Kurs-Gewinn-Verhältnis/KGV)
gibt das Verhältnis des Kurses einer Aktie zum Gewinn an und gilt als eine der wichtigsten Kennzahlen zur Bewertung von Aktien. Die Berechnung des KGVs ist vergleichsweise simpel: Man dividiert den Kurs einer Aktie durch den Gewinn einer Aktie. Den Kurs einer Aktie können Anleger auf Websites diverser Anbieter oder bei einem Broker einsehen. Doch wie genau ermittelt man den Gewinn je Aktie (earnings per share)? Dafür wird das Periodenergebnis der Aktiengesellschaft durch die durchschnittliche Anzahl ausstehender Aktien dividiert. Und wie interpretiert man das Ergebnis? Grundsätzlich zeigt das KGV, wie lange es dauern würde, bis das Unternehmen den Wert seiner Aktien als Gewinn erwirtschaftet hätte. Ein hohes KGV kann als Indiz für eine Überbewertung und ein niedriges für eine Unterbewertung der Aktie gesehen werden. Hierbei werden meist Unternehmen aus der selben Branche verglichen, da das KGV zwischen verschiedenen Industrien stark variieren kann.
„Price to Book Ratio“ (Kurs-Buchwert-Verhältnis/KBV)
stellt den Kurswert einer Aktie ins Verhältnis zum Buchwert dar. Das Verhältnis ist die Kennzahl, welche sich durch die Division des Kurses der Aktie durch den Buchwert je Aktie ergibt. Was ist der Buchwert? Der Buchwert beschreibt den Wert des Eigenkapitals zum Bilanzstichtag. Teilt man diesen Wert durch die Anzahl der Aktien, erhält man den Buchwert je Aktie. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass das KBV > 1 ist. Ist das KBV < 1, dann gilt die Aktie als besonders günstig, da man das Unternehmen theoretisch für weniger kaufen könnte, als es laut Bilanz wert ist, wofür es jedoch meistens einen Grund gibt.
Cash Flow Rendite
Eine weitere Kennzahl, die Aufschluss über eine mögliche Über- oder Unterbewertung bietet, ist die Cash Flow Rendite. Der Cash Flow ist der tatsächliche „Cash-Gewinn“, welcher die Realität besser abbildet als der Jahresüberschuss, also dem bilanziellen Gewinn. Die Cash Flow Rendite berechnet sich, indem der Cash Flow pro Aktie durch den Aktienkurs geteilt wird. Sie beschreibt also das Verhältnis zwischen Cash Flow und dem Aktienkurs. Bei einer Cash Flow Rendite von beispielsweise 10% wird also 10% des “Aktienpreises” in „Cash-Gewinnen“ erwirtschaftet. Grundsätzlich weist eine höhere Cash Flow Rendite im Branchenvergleich auf eine stärkere Ertrags- und Selbstfinanzierungskraft eines Unternehmens hin.
Bei der Verwendung der Kennzahlen ist immer daran zu denken, dass diese die Unternehmensergebnisse der Vergangenheit abbilden, es jedoch die Gewinne und Kennzahlen der Zukunft sind, welche den Aktienkurs maßgebend bestimmen. Daher erachten wir es als sinnvoll, diese Kennzahlen immer auch mit Gewinneinschätzungen der Zukunft zu verwenden. Als Ausprägung kann z.B. das KVG mit der prognostizierten Wachstumsrate ins Verhältnis gesetzt werden.
Als Schlusswort sei gesagt: Was die Entwicklung und Anpassung dieser Kennzahlen angeht, sind keine Grenzen gesetzt. Ein Beispiel für eine Anpassung ist die Verwendung des Rohgewinns anstelle des Gewinns, um ein besseres Bild für ein besonders junges Unternehmen abzubilden. Es geht also nicht darum eine Liste an Kennzahlen abzuarbeiten, denn obwohl die genannten Kennzahlen Aufschluss über ein Unternehmen geben, sollte jedes Unternehmen mit Hilfe der passenden Kennzahlen analysiert werden.
Quellen: daswirtschaftslexikon.com, bwl-wissen.de, investopedia.com, finanzen.net
Autoren: Friedrich von Freymann, Remo Erchinger

Aktienanalyse: Cellink Life Sciences
Cellink ist ein schwedisches Unternehmen, das sich auf Bioconvergence spezialisiert hat.
1. Was ist Bioconvergence?
Bioconvergence kombiniert die Bereiche Software / Engineering und Biologie. Es ist nicht beschränkt auf bestimmte Kombinationen, wie Bioinformatik, sondern sollte eher als End-to-End Approach gesehen werden und kombiniert die Vorteile aus Wissenschaft und Technologie.

2. Cellinks Rolle in Bioconvergence
In dem Bereich Bioconvergence hat sich Cellink auf Bioprinting und Bioprocessing spezialisiert und ist eines der führenden Bioconvergence Unternehmen. Anstelle einer Spezialisierung auf Drucker, bietet Cellink stattdessen eine Kombination aus Drucker und Bioink.
3. Bedeutsamkeit von Bioprinting
Bioprinting ist eine Weiterentwicklung von traditionellen 3D-Druckern und anstatt Produkte aus Plastik zu drucken, ist ein Bioprinter in der Lage, Zellen und Gewebestrukturen zu drucken. Das Ziel von Bioprinting ist es, menschliche Organe drucken zu können. Bis dies skalierbar ist, wird es noch eine Zeit dauern, aber wenn es so weit ist, haben Unternehmen wie Cellink die Chance, Medizin grundlegend zu verändern.

4. BIO X6
Der BIO X6 ist eines der Produkte von Cellink und lässt sich mit einem Wireless Tablet und der benutzerfreundlichen Software „DNA Studio“ nutzen, was die Eintrittsbarrieren zu Bioprinting senkt. Cellink betreibt einen One-Stop-Shop für Biomaterialien und bietet den Kunden die Option, alle Biomaterialien, die der Kunde braucht, bei nur einem Anbieter zu kaufen. Die wichtigen Anwendungsfelder für Cellinks Biomaterialien sind regenerative Medizin, Krebsforschung, Medikamentenlieferung und laborproduzierte Ernährung.

5. Management / CEO
Erik Gatenholm ist der CEO & Co-Founder von Cellink und besitzt ca. 20% der Aktien (skin in the game). Er hat bereits zahlreiche Auszeichnungen von Forbes und dem MIT erhalten und führt Cellink seit 2016. Er bringt 13 Jahre an unternehmerischer Erfahrung im Bereich Biotech mit. Die Vorstandsmitglieder bieten eine Kombination aus betriebswirtschaftlicher und medizinischer Expertise, was für Biotech Unternehmen essenziell ist.

6. Kund:innen
Die wichtigsten Kund:innen sind führende Universitäten (Harvard, MIT, Stanford, etc.) und Pharma Unternehmen wie Johnson & Johnson und Novo Nordisk. Die Kund:innen nutzen die Drucker und Bioink, um Forschung zu betreiben und diverse Produkte und Medikamente zu entwickeln.
7. Burggraben
Mit der starken Marktposition und langfristiger Zusammenarbeit mit allen wichtigen Universitäten und Pharmakonzernen hat Cellink einen natürlichen Burggraben. Die meisten Produkte sind zudem durch Patente geschützt. Nach Kauf eines Druckers von Cellink, müssen die Kunden außerdem auch die Bioink von Cellink kaufen, um die Drucker betreiben zu können (wiederkehrende Cash Flows).
8. M&A Transaktionen
Cellink ist ein wahrer M&A Experte und tätigt mehrere Akquisitionen jedes Jahr. Ein entscheidender Aspekt ist, dass Cellink nicht um jeden Preis Transaktionen durchführt, sondern sehr faire Preise zahlt und damit Shareholder Value generiert.
9. Geographische Strategie
Nordamerika ist der wichtigste Markt für Cellink. Die Wirtschaft wurde im Verlauf der Covid-19 Pandemie wesentlich schneller hochgefahren als beispielsweise in Europa, was die Wichtigkeit des nordamerikanischen Marktes weiter unterstützt hat. Nachdem in den letzten Monaten auch die europäischen Wirtschaften wieder hochgefahren wurden, hat auch dieser Markt eine stärkere Nachfrage für die Produkte von Cellink aufgezeigt und infolgedessen ist der Umsatz in Nordamerika und Europa im letzten Quartal fast identisch gewesen (siehe Tabelle).

10. Finanzen
Das Umsatzwachstum im ersten Quartal 2021 betrug 241% auf 129MSEK (Millionen schwedische Kronen = ca. 15Mio USD) im Vergleich zum ersten Quartal 2020 mit organischem Wachstum i.H.v. 62% und einer Bruttomarge von fast 80%. Die Netto Cash Reserve ist von 355Mio SEK auf 1.254Mio SEK gewachsen. Im Biotech Bereich ist eine große Cash Reserve sehr wichtig, da bei vielen Projekten bereits viel Geld in Forschung und Entwicklung investiert werden muss, bevor die fertigen Produkte verkauft werden können. Die Cash Reserve bietet damit eine gewisse Sicherheit für Cellink.


Wie die meisten in Wachstum investierenden Unternehmen ist Cellink nicht
profitabel. Der Gedanke dahinter ist es, erst die Marktposition zu verstärken und möglichst schnell zu wachsen und wenn dies geschafft ist, den Fokus auf die Profitabilität zu setzen. Wie dies zu bewerten ist, hängt von der Strategie des Investors ab.

Weitere Gründe für den Verlust sind ein saisonal schwaches Quartal für diese Industrie und einmalige M&A Kosten, die das Ergebnis belastet haben.
10. Risiken
Die Branche Bioprinting entwickelt sich gerade erst und das Investieren in
unprofitable Wachstumsaktien bringt einige Risiken mit sich. Die
Investmententscheidung hängt somit von der Anlagestrategie und der dazugehörigen Risikobereitschaft der Anleger:innen ab.
11. Fazit
Cellink ist eines der führenden Bioconvergence Unternehmen in einem Bereich, der von Innovation geprägt ist und somit viel Potential haben kann. Ob die Chancen die Risiken überwiegen und ob Cellink ein Investmentcase darstellt, müssen Investor:innen für sein Depot selbst entscheiden.
Disclaimer: Der Autor besitzt Cellink Aktien.
Quellen: Cellink Website, Cellink Quartalsbericht Q1/2021
Autor: Alessandro di Sciullo

Inflation: Gekommen, um zu bleiben?
Die Angst vor Inflation ist wieder da. Kein Thema hat die Märkte Ende Mai und Anfang Juni so beeinflusst wie die Inflationsdaten und deren Bewertung der Zentralbanken in den USA und Europa. Zuletzt sprang die Inflation in den USA auf 4,5%, in Deutschland auf immerhin 2,5%, der größte Anstieg der letzten neuneinhalb Jahre. Doch wie geht es nun weiter? Handelt es sich um einen kurzfristigen Trend oder ist die Inflation gekommen, um zu bleiben?
Viele Leser:innen dieses Blogs werden, wie ich, die Zeiten mit Sorgen vor Inflation und hohen Inflationsraten von deutlich über 5% wie in den 70ern als Folge einer Verknappung des Ölangebots am Weltmarkt, den 90ern im Zuge des Golfkriegs oder gar Zeiten der Hyperinflation in den Anfängen der Weimarer Republik nur aus den Geschichtsbüchern und von Erzählungen kennen. Das letzte Jahrzehnt war geprägt durch niedrige Inflationsraten deutlich unter dem 2%-Ziel. Und doch treibt viele Menschen das sogenannte Inflationsgespenst um.
Die Sorge ist durchaus berechtigt, denn Inflation drückt nichts anderes als die jährliche Preissteigerung oder umgekehrt denVerlust der Kaufkraft des verfügbaren Einkommen und Ersparten aus. Bei einer hypothetischen Inflationsrate von durchschnittlich 5% dauert es 14 Jahre, bis sich die Kaufkraft eines Euros halbiert.
Doch auch an der Börse als Spiegelbild zukünftiger Erwartungen „spukt“ es. Betrachtet man die Entwicklung des Dow Jones im Vergleich zum Nasdaq der letzten Monate, stellt man eine deutliche Korrektur des Technologie-Index Nasdaq fest, wogegen der Dow Jones mit überwiegend Industriewerten fast unverändert verläuft. Der Hintergrund dieser Entwicklung besteht darin, dass sich die Bewertung von Technologiewerten oft nach in der Zukunft liegenden Gewinnen richtet.
Vereinfacht dargestellt ist eine steigende Inflation oft ein Indikator für steigende Zinsen, da bei höheren Zinsen weniger Geldmenge in Form von Krediten in dem Umlauf gebracht wird, was zu einem Abkühlen der Wirtschaft und einer Stabilisierung der Währung führt. Höhere Zinssätze wiederumverringern den Wert von Gewinnen in der Zukunft, denn diese werden bei deren Bewertung „diskontiert“ bzw. „abgezinst“, da Investor:innen in der Zeit auf ein anderes Investment verzichten. Der Effekt wirkt hier auf künftige Gewinne in der Theorie ebenso wie das rechnerische Gedankenspiel mit den Inflationsraten. In der Praxis haben aber auch große Technologiewerte mit starken Zahlen wie Apple, Google oder Microsoft mitunter heftig korrigiert – Panik verbreitet sich bekanntlich schnell und breit.
Ende Juni ist die Sorge genauso schnell wieder verflogen und die großen Technologiefirmen stehen vor neuen Allzeithochs. Grund hierfür sind sicherlich die Äußerungen der Zentralbanken, nach denen es sich bei der Inflation um ein temporäres Phänomen handle. Statt einer Straffung der Geldpolitik drücken die Währungshüter:innen weiter voll aufs Gas, um die Konjunkturerholung in Folge der Pandemie weiter anzufeuern, zusätzlich gestützt durch staatliche Hilfspaketevon enormem Ausmaß. Die Argumentation: Inflationstreiber im ersten Halbjahr waren vor allem steigende Reisepreise und die Konsumlaune nach vielen Einschränkungen in der Pandemie, die Erholung der Rohstoffpreise verstärkt durch Verknappungen, sowie Probleme bei den Lieferketten. In der zweiten Jahreshälfte werden im Euro-Raum aufgrund genannter Ursachen sogar Inflationsraten zwischen drei und vier Prozent erwartet, welche aber schon ab Anfang 2022 durch Wegfall vieler Einmaleffekte wieder zurückgehen sollen. Auch die Renditen der 10-jährigen US-Staatsanleihen, deren Anstieg als Indikator für steigende Inflationsängste gilt, signalisieren nach einem Anstieg im Mai Stabilität. Also nichts wovor man sich fürchten muss?
Viele Ökonom:innen gehen davon aus, dass besonders in Deutschland die nächsten Jahre mit höheren Inflationsraten zu rechnen ist. Für eine langfristig höhere Inflation werden grundsätzlich drei Argumente angeführt:
CO2 Abgabe: Die erste Kostenschwelle wird durch die Klimapolitik der Bundesregierung ausgelöst. Seit Januar besteht eine CO2 Abgabe von 25 Euro je ausgestoßener Tonne, welche bis 2025 auf 55 Euro gesteigert werden soll. Die Kosten und zusätzliche Regularien zwingen Unternehmen, Produktionsanlagen klimagerecht umzubauen. Studien des BDI haben ergeben, dass die Kostenwellen im nächsten Jahrzehnt zu einem jährlichen Verbraucherpreisanstieg von 0,5% führen werden. Eine schnellere Steigerung des CO2-Preises, wie es beispielsweise die Grünen mit 60€ pro Tonne bis 2023 fordern, würde den Effekt weiter verschärfen – ambitionierte Klimaziele gibt es nicht zum Nulltarif.
Deglobalisierung: Ökonom:innen sehen in der Globalisierung einen wesentlichen Grund für die niedrigen Inflationszahlen des letzten Jahrzehnts. Durch die Erhöhung des weltweiten Arbeitsangebots im Zuge einer stärkeren Digitalisierungwurde die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer:innen und damit Lohnsteigerungen gedämpft. Die Coronapandemie hat im letzten Jahr mit aller Härte die Schwachstellen und Abhängigkeiten internationaler Lieferketten aufgezeigt und teilweise zum Umdenken geführt. Zudem wirken Gesetzgebungen, wie das im Juni verabschiedete Lieferkettengesetz, Handelskonflikte sowie der Umschwung hin zu regionalem Konsum dem Globalisierungstrend entgegen.
Demografischer Wandel: Sehr umstritten ist der Einfluss der expansiven Geldpolitik, verbunden mit einer alternden Gesellschaft auf die langfristige Entwicklung. Nach der volkswirtschaftlichen Theorie hätte die Niedrigzinspolitik und die massive Ausweitung der Bilanzsumme der EZB in den letzten Jahren für höhere Inflationszahlen sorgen müssen, da immer mehr Geld in der Wirtschaftskreislauf gepumpt wurde. Dieser Effekt blieb jedoch aus. Nun kommt hinzu, dass nach Berechnungen der Vereinten Nationen die Anzahl erwerbsfähiger Personen in den großen Volkswirtschaften stagniert oder sogar rückläufig ist. Im Gegenzug steigen die Rentenansprüche und der Konsum weiter an. Nach der Studie kann das Produktivitätswachstum diesen Effekt nicht ausgleichen, was zu einer steigenden Nachfrage bei stagnierendem oder gar rückläufigem Angebot führt und somit den Inflationsdruck erhöht. Ob und wann ein solcher Effekt wirklich Eintritt ist schwer zu prognostizieren.
Zusammengefasst gibt es sowohl für niedrige, als auch höhere Inflationsraten genügend schlagkräftige Argumente. Auch die Zentralbanken scheinen durch eine Aufweichung des harten 2%-Ziels hin zu einem längerfristigen Durchschnittsziel bereit zu sein, einen weiteren Anstieg in Kauf zu nehmen, um die Konjunkturerholung nicht zu bremsen oder gar zu gefährden. Ein Entgegenwirken der Inflation wäre nur durch eine Erhöhung der Leitzinsen und ein Rückfahren der Anleihekaufprogramme möglich, was die Finanzierung von in der Krise angeschlagenen Staaten und Unternehmen erschwert und im Extremfall zu einem neuen Konjunkturabschwung führt.
Nachdem nun die Aussichten und Gefahren von Inflation ausführlich erläutert wurden, stellt sich zuletzt die Frage, wie man sich am besten als Anleger:in verhält. Fakt ist, dass sich, unabhängig von der Höhe der Inflationsrate, der Wert von Geld auf unverzinsten Sparbüchern und Tagesgeldkontentäglich verringert. Ebenso der Gedanke, in Anleihen eine sichere Alternative zu finden, stellt sich als falsch heraus, da steigende Renditen der Anleihen bei Inflationsdruck nichts anderes als fallende Anleihenkurse bedeutet. Somit gilt grundsätzlich, dass materielle Werte wie Immobilien und Kunst, aber auch Aktien langfristig den besten Schutz bieten. Jede der Anlageklassen bringt dafür eigene Risiken, aber auch Chancen mit sich. Wie sonst auch verringert eine gute Diversifikation das Gesamtrisiko. Beruhigend für Anleger:innen ist, dass das Szenario einer galoppierenden oder gar einer Hyperinflation von Ökonom:innen und Expert:innen als äußerst gering eingeschätzt wird.
Quellen: gruene.de, wiwo.de, zeit.de, gevestor.de, handelsblatt.de, boerse.de, boerse-online.de
Autor: Karl Johann Hoffmann
Die Inflation wird kommen… Guter Beitrag.
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