August 2021


Wir freuen uns sehr über das Interesse an unserem dritten HSBA Finance Blog! Viel Spaß beim Lesen des August-Blogs.

Monatliches Marktupdate

In Summe verlief der vergangene Monat auf den Aktienmärkten freundlich mit einem global durchschnittlichen Wachstum von 2,5%, welches von der weiter fortlaufenden Berichtssaison und den Entwicklungen der Covid-19 Pandemie geprägt war.  Stagnierende Hospitalitätsraten in den entwickelten Ländern haben einen moderaten Ausblick auf das weitere Pandemiegeschehen im Herbst geliefert und lassen Hoffnungen für einen Lockdown-freien Verlauf. Wachstumsaktien konnten in diesem Monat stärkere Gewinne verbuchen und weisen im Durchschnitt einen Wert von insgesamt 3,3% auf. Die Entwicklungsländer haben im Schnitt einen volatileren Monat erfahren, was am Anfang des Monats unter anderem auf eine stärkere Verschärfung regulatorischer Anforderungen in China zurückzuführen ist. Nach einem Rückgang von ca. 4,5% erholten sich jedoch die Aktien wieder und wiesen zum Monatsende ein Plus von 2,6% auf. Trotz positiver Aussichten für den Herbst und den Hoffnungen über das Ausbleiben von weiteren Lockdowns ist die Wirtschaft weiterhin stark durch die Pandemie beeinflusst. Aktuelle Sorgen verbreiten sich so stark in den globalen Lieferketten, da die anhaltende Chipknappheit sowie Lieferengpässe und Terminalschließungen an asiatischen Häfen das produzierende Gewerbe weiterhin unter Druck setzen.  

Quelle: jpmorgan.com

Autorin: Xenia Krouptchenkova

Interview mit Achim Plate zur digitalen Geldanlage: „Man hat keine Zeit mehr, auf irgendetwas zu warten. Man muss jetzt damit beginnen.“

Für unsere August Ausgabe haben wir uns mit Achim Plate, dem CEO der Lloyd Fonds AG, über die neue Form des Investierens, die digitalen Geldanlage, unterhalten. Die Lloyd Fonds AG ist ein Finanzhaus aus Hamburg, welches mit offenen Investmentfonds, persönlicher Vermögensverwaltung und über ihr WealthTech LAIC mit einer auf KI-basierten Plattform, innovative Investmentlösungen für seine Kunden anbietet. 

Herr Plate, könnten Sie bitte in ein bis zwei Sätzen beschreiben, was digitale Geldanlage ist? 

Plate: Die digitale Geldanlage ist eine neue Form der Entscheidungsfindung für Investments, bei welcher man Daten verstärkt nutzt, wie wir dies auch in anderen alltäglichen Situationen immer mehr erleben. Das heißt kurz gesagt, dass am Kapitalmarkt eine noch stärkere Auswertung der Datenlage hinzukommt, die dann auch häufig auf künstlicher Intelligenz (KI) basiert.  

Warum sollte ich jetzt schon in die digitale Geldanlage investieren und nicht warten, bis die künstliche Intelligenz weiter fortgeschritten ist und es neue Technologien gibt? Warum ist jetzt bereits schon der optimale Zeitpunkt? 

Plate: Wie in vielen anderen Bereichen des täglichen Lebens sind Daten nicht mehr wegzudenken, so ist das bei der Finanzanlage auch. Es ist ja auch nicht so, dass in der Vergangenheit keine Daten verwendet wurden, um Entscheidungen zu treffen. Der wesentliche Unterschied ist, dass der Umfang der Daten, die heute zu Verfügung stehen, und damit auch der Umfang der Entscheidungen, die datengetrieben sind, ständig zunimmt. Und vor diesem Hintergrund kann man sich eigentlich nicht mehr richtig verwehren und hat  keine Zeit mehr auf irgendetwas zu warten, man muss jetzt damit beginnen.  

Bei der KI gibt es den Unterschied, dass Emotionen keine Rolle spielen bei der Entscheidung. Ist dieser Aspekt bei der digitalen Geldanlage der entscheidende Vorteil oder der größte Nachteil? 

Plate: Eigentlich weder noch. Denn digitale Geldanlage basiert darauf, dass Menschen mit Ihren Erfahrungen die Mechanismen für die KI entwickeln und programmieren. Ohne menschliche Erfahrung, die in eine KI umgesetzt wird, welche durchaus auch selbstlernend sein kann, würde diese ja gar nicht funktionieren. Anschließend wird bei der emotionslosen digitalen Geldanlage letztendlich dann nur das, was Menschen mal entwickelt haben, digital umgesetzt. Ich habe also im Grunde genommen bei einer digitalen Geldanlage die menschlichen Komponenten dadurch drin, dass Menschen die KI entwickelt haben.  

Wenn wir die Lloyd Fonds AG betrachten und dort speziell LAIC als Säule des Geschäftsmodells fokussieren: Wie kann ich mir im Allgemeinen die Funktionsweise von LAIC vorstellen? 

Plate: Im Kern geht es bei unserem Geschäftsmodell natürlich darum, Geld anzulegen. Auf der einen Seite erwartet der Anleger eine entsprechende Performance. Auf der anderen Seite haben sie aber ein Risikoprofil. Das heißt, jeder der Anleger hat ein unterschiedliches Empfinden zum Risiko. Anleger unterscheiden sich darin, unterschiedlich auf heftigere Einschläge wie beispielsweise den Crash-Phasen während der Corona Pandemie zu reagieren. Und bei LAIC ist unser Ziel, dass wir für jeden Anleger individuell ein Chance-Risiko Profil managen. Das heißt wir wollen entsprechend seiner persönlichen Erwartung die Rendite liefern, aber in einem Risiko, das seiner Neigung entspricht. Und um diese Steuerung erfolgreich zu erreichen, muss man in der Tat, und das auf individueller Ebene, jeden Tag Millionen von Daten auswerten. Einerseits muss man hierbei die Allokation der Assets für diesen einen Kunden richtig durchführen und anpassen, und andererseits muss man auch das Risikomanagement betrachten. Genau dieses Wechselspiel aus KI basierter Allokation, einem großen Datenuniversum und der Berücksichtigung von vielen Datenpunkten, sowie der Steuerung des Depots nach einer Risikokennziffer, die auf den Kunden zutreffen, ist die Aufgabe von LAIC. Das Datenuniversum, welches wir dafür nutzen besteht bei Privatkunden aus über 12.000 Publikumsfonds und 1.500 ETFs. Bei institutionellen Kunden setzten wir zusätzlich noch über 5.000 weltweiter Aktien ein. 

Und was ist hier der wesentliche Punkt, wo sich LAIC unterscheidet. Wie will LAIC in dieser umkämpfen Branche überlebensfähig sein? 

Plate: Das Einsetzen von Individualdepots statt Musterdepots ist sicherlich ein wichtiger Punkt. Das weltweite Anlageuniversum ist der zweite wichtige Punkt. Und der dritte wichtige Punkt ist eine tägliche Überwachung. Viele unserer Wettbewerber führen die Allokation und Anpassung von Depots in zeitlichen Rhythmen, zum Teil nur einmal im Jahr oder einmal im Monat durch. Bei uns geschieht dies täglich, welches ein bedeutender Unterschied ist. Die Übersetzung der Risikoneigung eines Kunden in der Portfoliosteuerung ist außerdem eines der Haupt-USPs, die wir hier mit LAIC umsetzen.  

Wenn die digitale Geldanlage so vorteilhaft ist, warum gibt es bei der Lloyd Fonds AG noch die Geschäftsfelder der aktiven Fonds und der klassischen Vermögensverwaltung? 

Plate: Weil es auf der Welt so viel Geld und Anleger gibt, dass jeder einzelne einen anderen Ansatz hat. Es gibt Anleger, die das aktive Management durch erfahrene Fondsmanager präferieren, und deshalb dort investieren. Es gibt andere die sagen, ich suche mir nur einen Neo-Broker weil ich alles selber entscheiden möchte. Und es gibt wieder andere die sagen, dass sie die Vorteile datenbasierten Allokation nutzen wollen. Das bedeutet, dass wir diese immensen Anlegergruppen, welche es weltweit gibt, auf alle Anlageformen aufteilen. Und deshalb wird die digitale Geldanlage auch niemals die aktiv gemanagte komplett ersetzen. Es ist einfach eine weitere Form, die immer mehr Bedeutung bekommt.  

Was können denn Menschen noch besser als KI oder Roboter? 

Plate: Wenn alles gut messbar wäre, dann wäre ja die Börse und das Anlegen wie eine Mega-Excel Tabelle. Das ist sie aber nicht. Es gibt einfach jeden Tag wieder neue Situationen. Manchmal auch irratonale Situationen und da hilft natürlich aktiv erfahrenen Management schon. In diesen Momenten gibt es dann ganz bestimmt punktuelle Datensituationen, welche aufgrund der Erfahrung dann besser bewertet werden kann. Das wird eine KI niemals ersetzen können. Der Punkt ist nur, dass der einzelne Mensch diese hunderte von Situationen nicht mehr komplett überblicken kann, die es jeden Tag an der Börse gibt. Das heißt nicht, dass die datenbasierte Allokation immer zu 100% jede Situation richtig erfassen wird. Sondern die Wahrscheinlichkeit, dass das im Schnitt häufiger und besser passiert, wird im Laufe der Zeit weiter steigen.  

Der digitalen Geldanlage wird aktuelle recht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Was sind die Trends, die diese Branche aktuell formen? 

Plate: Bisher haben wir ja nur darüber geredet, wie datengetriebene Anlagen für Einzelkunden oder institutionelle Kunden allokiert werden und wie hier Risikomanagement betrieben wird. Eine weitere Form der Digitalisierung ist hier natürlich der Vertreib von Kapitalanlagen. Wie kommt der Kunde denn überhaupt an solche Produkte? Die herkömmlichen Wege über eine Bank oder einen Vermittler werden in Zukunft auch immer weiter digitalisiert und dort wird sicherlich die Frage sein, wann wird ein einzelnes Bankprodukt oder Anlageprodukt nicht mehr so wie heute vertrieben, sondern zum Beispiel mittels eines Tokens. Es geht am Ende dem Anleger ja nur darum, eine bestimmte Verzinsung bei einem bestimmten Risikoprofil zu bekommen und nicht darum, dass er einen Fonds, einen ETF oder eine Aktie kaufen will. Er will eigentlich nur das Ergebnis haben. Das heißt, die Entwicklung geht aus meiner Sicht dahin, dass ein Token auch im Vertreib eingesetzt wird und das wird eine ganz neue globalere Vertriebssituation zur Folge haben. Technisch ist das heute schon möglich, dagegen spricht noch die Regulatorik über Ländergrenzen hinweg. Also ein großer Schritt der Digitalisierung wird der smarte Zugang zu Endkunden von Finanzprodukten sein.  

Herr Plate, vielen Dank für das Interview! 

Autorin: Xenia Krouptchenkova

Bildrechte: © Lloyd Fonds AG

Regulierungswut und Kursverfall bei China Tech – Wie geht es weiter? 

Für Aktionäre chinesischer Technologiefirmen waren die letzten Wochen mindestens so enttäuschend wie das Sommerwetter im August. Die chinesische Regierung sorgte mit Ankündigungen und Durchsetzung schärfer Regulierungen bei Technologiefirmen für ratlose Investoren und ein Blutbad an den Börsen bei großen Technologiewerten wie Alibaba, Tencent oder Baidu. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die Ereignisse und lotet die Chancen und Risiken für Anleger:innen aus.  

In den vergangenen Wochen und Monaten kam es vermehrt zu heftigen Kursrutschen bei chinesischen Technologiewerten. Im Gegensatz zu Rücksetzern beim NASDAQ, dem wichtigsten amerikanischen Technologieindex, konnten die Verluste nicht binnen weniger Tage wieder aufgefangen werden. Im Gegensatz – während der NASDAQ von Rekordhoch zu Rekordhoch klettert, stehen chinesische Technologiewerte bis zu 50% unter ihren Höchstständen.  Dabei ist es nicht neu, dass der chinesische Staat in die Wirtschaft eingreift. Doch was ist diesmal anders?  

Bereits 2013 implementierte die Kommunistische Partei eine zentrale Disziplinarkommission, um den Machtanspruch der Partei zu sichern und Korruption sowie Exzessen in der Wirtschaft entgegenzutreten. Nachdem in der Vergangenheit überwiegend Staatskonzerne und die Armee im Vordergrund standen, rückt nun der Fokus vermehrt auf den Finanz- und Technologiesektor.  

In die Öffentlichkeit geriet die Thematik schon im November 2020, als der Börsengang der Ant Group, Finanztochter des chinesischen Amazon Pendant Alibaba, über Nacht blockiert wurde. Im April folgte dann der nächste Schlag – eine Rekordstrafe in Höhe von 2,8 Milliarden Dollar wegen Wettbewerbsverstößen. Wer damals dachte, die Regierung belässt es dabei, lag weit daneben.  

In den vergangenen Wochen veröffentlichten das Zentralkomitee und der Staatsrat einen umfangreichen Plan, durch den eine strengere Regulierung bis 2025 erreicht werden soll. Dabei geht es konkret um ein breites und sensibles Themenspektrum, angefangen beim monopolitischen Verhalten der Konzerne über den Umgang und die unkontrollierte Verarbeitung von Nutzerdaten sowie den Schutz der Privatsphäre. Ebenso spielen die Themenfelder Arbeitsrecht, Jungendschutz und Gesundheit eine zentrale Rolle. Besonders auffällig und für viele überraschend ist die Härte und Konsequenz beim Vorgehen der kommunistischen Partei, nachdem Technologiekonzerne die letzten Jahre faktisch unkontrolliert und vor internationalem Wettbewerb geschützt wachsen konnten. Im Vordergrund stehen Regulierungen und Richtlinien, die Internetfirmen verbieten sollen, Algorithmen zur Auswertung von Nutzerdaten einzusetzen. Nutzer sollen dadurch vor Suchtverhalten und der Verleitung, große Summen Geld auszugeben, geschützt werden. Beschriebene Algorithmen werden auch von Google oder Amazon eingesetzt und tragen einen großen Teil zum Erfolg von Onlineplattformen bei. Regulierungen in diesem Feld führen zu einer nachhaltigen Schädigung des Geschäftsmodells.  

Doch damit nicht genug! Neben neuen Gesetzgebungen und Regulierungen werden die Konzerne auch direkt zur Kasse gebeten. Der E-Commerce-Gigant Alibaba teilte Anfang August mit, dass sich der Steuersatz von 8% auf 20% erhöhen werde. Der bisher niedrige Steuersatz war an den Status „Schlüssel-Software-Unternehmen“ gebunden und wurde nun entzogen – der Entzug bei weiteren Tech-Unternehmen dürfte folgen. Darüber hinaus geht es so weit, dass Großkonzerne ihre Gewinne, am Beispiel von Tencent 6,5 Milliarden Euro, auf Druck der Staatsführung im Sinne der in China derzeit propangierten „Wohlstandsverteilung“ spenden. Die Summe entspricht in etwa dem gesamten Quartalsgewinn.  

Und es geht sogar noch weiter: Erst kürzlich wurde E-Learning Plattformen untersagt, künftig Gewinne mit Online-Nachhilfe oder Lernangeboten zu erzielen. Der Staat möchte damit die Kontrolle über die Bildung beibehalten und wieder stärker unter staatliche Aufsicht stellen. Die Aktien der Anbieter brachen daraufhin als logische Konsequenz in sich zusammen – ein Unternehmen was keine Gewinne erzielen darf, hat für Investoren faktisch den Wert „0“.  

Das Vorgehen der Regierung gegen einzelne Unternehmen leitet sich auch daran ab, dass China sich wieder stärker gegen ausländische Investoren schützen und künftig Börsengänge von Technologiefirmen im Ausland, meist in New York, verbieten möchte. Hintergrund ist die Angst, ausländische Behörden könnten die Firmen zwingen, gesammelte Datenmengen herauszugeben. Zuletzt ist das Unternehmen Didi, das chinesische Pendant zu Uber mit über 450 Mio. Nutzern, entgegen der Erwartungen der Regierung im Juni in New York an die Börse gegangen. Kurz darauf ordnete die Pekinger Cyberspace-Aufsichtsbehörde die Löschung der Didi-App aus chinesischen App-Stores an. Begründet wurde der Schritt mit Datenschutzbedenken und dem Machtanspruch des Staates, welcher es Technologiefirmen nicht erlauben werde, mehr persönliche Daten als der Staat über seine Bürger zu sammeln.  

Die Liste mit Eingriffen, Äußerungen und Regulierungen seitens der chinesischen Behörden ließe sich problemlos um weitere Seiten fortsetzten. Die ausgewählten Beispiele zeigen aber deutlich die bestehenden Machtverhältnisse und die Machtlosigkeit chinesischer Multimilliarden Konzerne gegenüber der Staatsführung. Westliche Versuche und Gerichtsverfahren zur Erzielung von Steuergerechtigkeit, Regulierung oder Beschneidung der Marktmacht von Tech-Giganten wirken gegen die Durchschlagskraft der chinesischen Regierung wie zahnlose Papiertiger. 

Doch wie gehe ich als Anleger:in mit der Situation um? Die Kurse weit unter den Höchstständen bieten optisch viel Aufholpotenzial, doch gleichzeitig besteht die Sorge, „ins fallende Messer zu greifen“. Fakt ist, dass die Eingriffe und Regulierungen der chinesischen Regierung die Unternehmen auch künftig weiter belasten werden und durch fehlende Rechtssicherheit immer wieder überraschende und schwerwiegende Beschlüsse gefasst werden können. Die stark schwankenden Kurse zeigen, dass die schwer greifbaren politischen Risiken an der Börse gerade neu bewertet werden.  Zugleich ist der chinesische Markt als Zugpferd der Weltwirtschaft mit hohen Wachstumsraten und einer Gesamtbevölkerung von rund 1,4 Milliarden Einwohnern für Investoren attraktiv. Zudem sind chinesische Technologiefirmen auf Grund genannter politischer Risiken günstiger bewertet als vergleichbare amerikanische Werte. Wie grundsätzlich an der Börse gilt auch hier, dass den hohen Chancen ein äquivalentes Risiko gegenübersteht. Wie stark das Risiko politischer Eingriffe zu bewerten ist, bleibt letztendlich jedem selbst überlassen. Investitionen außerhalb des Technologiesektors verkleinern derzeit das politische Risiko. 

Leser:innen, die mit dem Gedanken spielen, in China zu investieren, sollten sich zudem mit dem juristischen Aspekt auseinandersetzen, dass beim Kauf einer Aktie oft nicht direkt ein Anteil einer Firma erworben wird, sondern Anteile einer Holding, meist mit Sitz auf den Cayman Islands. Hintergrund ist, dass chinesische Unternehmen durch diese Struktur das Verbot eines Listings im Ausland umgehen.  Auch aus Amerika erhöht sich durch eine Vielzahl von Gesetzgebungen zur besseren Kontrolle von Bilanzen und Wirtschaftsprüfern chinesischer Firmen der Druck. Der HSBA Finance Blog wird die Thematik weiterverfolgen und über künftige Entwicklungen berichten.  

Disclaimer: Der Artikel stellt keine Anlageempfehlung dar.

Quellen: manager-magazin.de, handelsblatt.com, faz.net, extraetf.com, deraktionaer.de, nzz.ch, onvista.de, tagesschau.de

Autor: Karl Johann Hoffmann

Aktienanalyse – Microsoft   

MICROSOFT (US5949181045) ist wohl allen Computernutzer:innen ein Begriff und ist nach Apple mit einer Marktkapitalisierung von 1,9 Bio. Euro das zweitgrößte börsennotierte Unternehmen der Welt. Gegründet wurde das Unternehmen 1975 von Bill Gates und erlangte vor allem durch die Software Microsoft Windows weltweit an Bekanntheit. Auch heutzutage laufen mehr als 9 von 10 Computern mit dem Betriebssystem von Microsoft, nur Apple setzt hier mit seinen wachsenden Marktanteilen auf ein anderes Betriebssystem. Zum größten Umsatztreiber neben MS Windows zählt unter anderem die Microsoft Office Familie, welche unteranderem die Programme Word, Excel, PowerPoint, Access und den E-Mail-Dienst Outlook miteinschließt. Über die vergangenen Jahre hat sich der Konzern das Image eines Urgesteins für PCs abgestreift und sein Portfolio auch durch Akquisitionen um viele weitere Bereiche erweitert. Somit bietet die Produktpalette heute mit seinen Diensten wie Skype, LinkedIn, Azure, Office, Xbox und Windows alles von Gaming und Hardware bis hin zu Clouddiensten und Karrierenetzwerken. Mit der Azure Cloud ist Microsoft nach Amazon Web Services (AWS) das zweitgrößte Cloudunternehmen der Welt. 

Microsoft Aktie als Investment 

Auch die Aktie des Unternehmens ist bei Investor:innen sehr beliebt. Nach einer längeren Durststrecke durch das Platzen der DotCom-Blase und einem zwischenzeitlichen Durchhänger liegt die jährliche Rendite über die letzten 20 Jahre bei durchschnittlichen 8 Prozent. Nachdem Microsoft wieder zu alter Stärke zurückgefunden hat, ist auch die Performance der Aktie deutlich angezogen. Die jährliche Rendite der letzten 10 Jahre hat sich mit durchschnittlich 22% mehr als verdoppelt. Dies ist unter anderem auf den enorm tiefen Burggraben durch die große Marktdominanz und Integration der einzelnen Anwendungen zurückzuführen, der das Unternehmen vor Konkurrenz schützt und sehr gute Gewinnmargen ermöglicht. In den vergangenen Jahren ist Microsoft, wie auch viele andere Tech-Unternehmen, dazu übergegangen, seine digitalen Produkte und Anwendungen nicht mehr für einen einmaligen Abschlag zu verkaufen, sondern über Abo-Modelle monatliche Einnahmen zu erzielen. Dieses Vertriebsmodell macht die Dienste noch planbarer und rentabler. Es ist des Weiteren einfacher geworden, den Kund:innen weitere Pakete und Updates zu verkaufen und somit den Umsatz zu steigern. Die Office- und Windows-Anwendungen sind hierdurch kaum mehr aus dem Alltag von vielen Firmen wegzudenken. Die Umsatz- und Gewinnbasis ist so stabil, wie bei kaum einem anderen Unternehmen.   

Die neue Hochform hat sich auch im Aktienkurs und den jährlich steigenden Dividenden bemerkbar gemacht. Zwar fällt die Dividende mit unter einem Prozent eher bescheiden aus, doch ist die Aktie dank eines jährlichen Dividendenwachstums von über 10 Prozent auch für langfristig orientierte Dividendeninvestor:innen interessant und bei einer Ausschüttungsquote um die 30% sehr stabil. 

Trotz seiner Größe hat Microsoft in seinen Absatzmärkten durch dynamisches Wachstum enorm an Größe gewonnen. Auch die Zukunftsprognosen schließen auf Wachstum. In den vergangenen 5 Jahren stieg der Gewinn um durchschnittlich 29% und der Umsatz um 8,8%. Im Jahr 2020 konnten somit Umsätze in Höhe von 143 Mrd. USD erzielt werden und der Gewinn belief sich auf insgesamt 44 Mrd. USD. Mit einer derzeitigen KGV Bewertung von 37 ist die Aktie im Vergleich zum Durchschnitt der letzten 20 Jahre bereits sehr hoch bewertet, wobei der Durchschnitt bei einem KGV von 25 liegt. Da das Unternehmen aber sowohl Value- als auch Wachstumskriterien aufweist, kann die Höhe dieser Kennzahl durchaus gerechtfertigt sein. Ob diese Aktie jedoch einen Kauf wert ist und eine gute Ergänzung für das Portfolio darstellt, liegt hierbei im Auge der Betrachter:innen. 

Disclaimer: Keine Kaufempfehlung, der Autor besitzt Microsoft Aktien

Quellen: aktienfinder.net, finanzen.net, alleaktien.de

Autor: Luca Schröder

person dropping paper on box

Bundestagswahl 2021 – Das planen die Parteien bezüglich Finanzen und Steuern (Teil 2)

Die Bundestagswahl rückt näher und mit all den Wahlplakaten an den Straßenrändern stellst auch Du dir vielleicht noch die Frage, wo Du am 26.09. deine Kreuze setzen wirst.  Im zweiten Teil der Wahlprogramm-Analyse werden diesmal die Forderungen der SPD, AFD und Linken bezüglich Wirtschaft, Steuern und Finanzen genauer unter die Lupe genommen. Solltest Du den ersten Teil mit der CDU/CSU, FDP und den Grünen noch nicht gelesen haben, dann schau Dir doch gerne auch noch die Juli-Ausgabe des Finance Blogs an.

SPD  

Knapp vier Wochen vor der Bundestagswahl gewinnt die SPD in den Umfragen nochmal ordentlich Prozente dazu und zieht laut dem ZDF-Politbarometer mit einem Stimmanteil von 22% mit der Union gleich. Dieser starke Aufwärtstrend ist der Grund, wieso viele Meinungsforscher:innen die SPD mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz aktuell an der Spitze der anstehenden Bundestagswahl sehen.  

Die Sozialdemokrat:innen stehen für eine Wirtschaftspolitik mit dem Gemeinwohl im Mittelpunkt. Dafür soll die soziale Ungleichheit bekämpft, der Wohlstand nicht mehr am Bruttoinlandsprodukt, sondern am Wohlergehen der gesamten Gesellschaft gemessen und nachhaltig gewirtschaftet werden. Die vier Themenbereiche, welche im Wahlprogramm besonders stark hervorgehoben werden und in die perspektivisch mindestens 50Mrd. € pro Jahr fließen sollen, sind Klimaschutz, Mobilität, Digitalisierung und Gesundheit.  

Für Unternehmen ist von Bedeutung, dass sich die SPD zur Durchsetzung ihrer politischen Forderungen für eine stärkere politische Mitbestimmung in der Wirtschaft einsetzt. Außerdem wird die Vollendung der europäischen Bankenunion und somit dem Aufbau eines europäischen Finanzmarktes gefordert. Für die Herstellung von Steuergerechtigkeit soll im Zuge dessen das Steuerdumping der EU-Mitgliedsstaaten verhindert und ein internationales Transparenzregister zur Vermeidung von Steuerhinterziehung aufgebaut werden. Zusätzlich fordert die SPD eine Reform der Erbschaftssteuer, wodurch große Betriebsvermögen und Familienstiftungen höher besteuert werden sollen. Für förderwürdige Aufwendungen wie Spenden planen die Sozialdemokrat:innen die Anpassung, dass zukünftig eine einkommensunabhängige Steuerminderung erhalten wird.   

Für Privatpersonen plant die SPD eine Besserstellung kleiner und mittlerer Einkommen und die stärkere Besteuerung der oberen fünf Prozent der Gesellschaft. Für Berufe mit geringem Einkommen wie Kassierer:innen, Pflegekräften oder Erzieher:innen, auf welche wir alle im Alltag angewiesen sind, wird sich für eine Lohnerhöhung eingesetzt. Der Mindestlohn soll auf 12€ erhöht werden.      

Konkrete Forderungen zur Bekämpfung der Ungleichheit sind die Beibehaltung des Aufschlags von drei Prozentpunkten auf die Einkommensteuer ab einem Einkommen von 250.000€ (500.000€ bei Ehepaaren), die Beibehaltung des Solidaritätszuschlags für Spitzenverdiener:innen und die Einführung einer Vermögenssteuer von einem Prozent pro Jahr für sehr hohe Vermögen.  

Für neugeschlossene Ehen soll das Ehegattensplitting so angepasst werden, dass nicht ausschließlich Alleinverdiener-Ehepaare mit hohen Einkommen davon profitieren.  Die klassische Arbeitsaufteilung zwischen Männern und Frauen soll somit nicht weiter gefördert werden.   

Die Grundstückspolitik sieht einen verstärkten öffentlichen Besitz von Grundstücken als Lösung gegen die Spekulation mit Grund und Boden. Die Zehn-Jahres-Spekulationsfrist für Veräußerungsgeschäfte nicht selbst genutzter Grundstücke soll abgeschafft werden, um leistungslose Bodenwertgewinne der Allgemeinheit zukommen zu lassen.    

Um den Finanzmarkt sicherer und fairer zu gestalten, möchte die SPD eine Finanztransaktionssteuer einführen.   

AFD  

Die EU-skeptische und rechtsliberale Alternative für Deutschland kommt nach aktuellen Umfragen auf rund 11% der Stimmen und wäre somit die viertstärkste Partei Deutschlands. Dieses Ergebnis wäre rund 1,6 Prozentpunkte schlechter als bei der Bundestagswahl 2017.  

Auf Unternehmensseite lehnt die AfD den direkten Einfluss der Politik auf Unternehmen ab und spricht sich gegen Verstaatlichungen von Unternehmen aus. Steuerlich möchte die AfD zwar die Einführung einer Digitalsteuer für Tech-Riesen („Gafam“), fordert insbesondere aber die Abschaffung sämtlicher Steuerarten wie der Energiesteuer, der Grundsteuer und der Gewerbesteuer. Lediglich die Umsatzsteuer und die Einkommensteuer sollen zukünftig erhoben werden. Über  weitere Unternehmenssteuern oder Kompensationen für den Wegfall der Steuergelder gibt es im Wahlprogramm keine Informationen.  

Für Privatpersonen möchte die AfD die Grunderwerbssteuer für Einheimische abschaffen. Wer keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzt oder keinen Wohnsitz in Deutschland hat, soll gleichzeitig statt aktuell 3,5 - 6,5% des Kaufpreises satte 20% Steuern beim Erwerb von Wohneigentum bezahlen. Damit sorgt die AfD dafür, dass es Zuwanderer:innen besonders schwer haben, in Deutschland Wohneigentum zu erwerben.  

Einen Mietendeckel und eine Mietpreisbremse werden von der AfD abgelehnt. Stattdessen werden zur Förderung von Wohneigentum staatliche Bürgschaften von bis zu 10% des Objektwertes vorgeschlagen, welche Käufer:innen auch als Eigenkapitalersatz dienen würden. Aufmerksame Leser:innen sollten bei diesem Vorschlag gewisse Parallelen zum Jahr 2008 ziehen können und werden sich sicherlich die die Frage stellen, ob die Banken dadurch wohl tatsächlich weniger kreditwürdigen Käufer:innen eine Hypothek geben würden.  

Zur Erhöhung der Rente will die AfD höhere Steuerzuschüsse in die Rentenfinanzierung stecken und selbstbezeichnete „ideologische Politikmaßnahmen“ streichen. Bei den Politikstreichungen werden konkret die Migrations-, Klima-, und EU-Politik genannt.   

Die Linke  

Die Linke wird aktuellen Umfragen zufolge rund 6% der Wählerstimmen erhalten, was 3,6 Prozentpunkte unter dem Ergebnis aus 2017 liegen würde.  

Das Programm der Linkspartei steht unter dem Titel „Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit!“ und hat den Kampf gegen Ungerechtigkeiten im Kern ihrer Forderungen. Außerdem möchten sie die Schuldenbremse beenden und stattdessen mehr Gelder durch Steuererhöhungen von Besserverdiener:innen einsammeln.  

Auf Unternehmensseite setzt sich die Linke für die Erhöhung der Unternehmenssteuern ein und fordert europäische und globale Mindeststeuersätze zur Verhinderung der Steuervermeidung. Konkret soll im Zuge dessen auch die Körperschaftssteuer von aktuell 15% auf 25% angehoben werden. Zur Wahrung fairer Marktbedingungen schlägt die Linke außerdem vor, Corona Profiteuren wie Amazon ihre übermäßigen Gewinne mit einer Übergewinnsteuer abzuschöpfen.   

Für Privatpersonen möchte die Linke den Einkommensteuer Grundfreibetrag von aktuell 9.744€ auf 14.400€ erhöhen und den Steuerverlauf bis zu einem Einkommen von 70.000€ abflachen. Kleine und mittlere Einkommen würden dadurch stark entlastet werden. Danach folgt der Spitzensteuersatz von 53% ab einem Einkommen von 70.000€, welcher auf bis zu 75% ab einem Einkommen von einer Million ansteigen soll. Für Vermögen ab einer Million € soll zusätzlich eine Vermögenssteuer von bis zu 5% p.a. gezahlt werden. Um die Vererbung großer Reichtümer einzudämmen, soll auch die Erbschafts- und Schenkungssteuer für große Betriebsvermögen strenger gestaltet werden. Davon ausgenommen sind normales, selbstgenutztes Wohneigentum.  

Kapitalerträge möchte die Linke mit dem individuellen Einkommensteuersatz besteuern und für jede Transaktion eine Finanztransaktionssteuer von 0,1% einbehalten.  

Quellen: zdf.de , finanzfluss.de, spd.de, afd.de , die-linke.de

Autor: Tim Bartmann

Sustainable Withdral Rate – Was sich hinter der „4% Regel“ verbirgt

Wenn es um kontinuierlichen Cashflow aus Aktien geht, denken die meisten Anleger:innen primär an Ausschüttungen in Form von Dividenden. Der kontinuierliche Verkauf von Anteilen und der daraus entstehende Zufluss flüssiger Mittel wird dabei häufig kritisch gesehen. Anleger:innen wollen ungerne Anteile verkaufen, da diese nachdem sie abgestoßen wurden keine Rendite mehr für sie erzielen. Trotz dieser Opportunitätskosten lassen sich durch Verkäufe von Wertpapieren höhere Zahlungsströme erzielen.  

Rational betrachtet sind drei Faktoren entscheidend wenn es darum geht wie sinnvoll es ist dem Depot ab einem bestimmten Zeitpunkt, z.B. zum Renteneintritt, kontinuierlich einen gewissen Betrag X zu entnehmen. Jene Faktoren sind Rendite, Höhe der Entnahme (prozentual p.a.) und Dauer der Entnahme. Übersteigt die Rendite die Entnahme, so wird das Depot einen Anstieg verzeichnen. Ist die Entnahme höher als die Rendite, so wird sich das Depot vom Wert verringern. Je höher die Entnahme die Rendite übersteigt, umso schneller wird sich das Depot aufzehren, wie die folgende Grafik veranschaulicht. 

Fidelity Investments

Eine 10-jährige Auszahlungsperiode kann selbstverständlich höhere Auszahlungen verkraften als eine 30-jährige Periode. Die Frage ist also, wieviel Anleger:innen entnehmen können, um möglichst lange davon zu profitieren, ohne dass ihnen das Geld ausgeht.

Mit dieser Frage haben sich drei Professoren am Trinity College aus Texas im Rahmen einer Studie beschäftigt. Ziel war es, eine prozentuale Rate zu definieren, mit der Anleger:innen möglichst lange Geld entnehmen können ohne dass diesen vor ihrem Tod das Geld ausgeht.

Dabei wurden verschiedene Variablen verändert und darauf aufbauend Szenarien simuliert.

Variiert wurde:

  • Der Zeitraum mit Start & Ende (1926 – 1995)
  • Länge der Auszahlungsperiode (15 – 30 Jahre, in Fünferschritten)
  • die Zusammensetzung aus Aktien und Anleihen (0/100, 25/75, 50/50, 75/25, 100/0)
  • die Entnahmerate (3% – 10%)

Diese Variationen wurden durch die Professoren in einem Modell auf Basis historischer Daten getestet. Eine wichtige Erkenntnis war hierbei, dass bei einer Entnahme-Rate von 4% keines der Portfolios mit 100% Aktienanteil unabhängig von Startzeitpunkt oder Dauer vollständig aufgebraucht worden wäre.

Selbst wenn Anleger:innen im ungünstigsten Zeitpunkt, also direkt vor dem Börsencrash von 1929 gestartet hätten, wäre das Kapital nach 30 Jahren nicht vollständig aufgebraucht worden. Entnahme-Raten unterhalb der 4% würden zwar zu noch längeren Auszahlungsperioden führen, könnten aber einen zu geringen Cashflow generieren. Die 4% sind somit als optimaler Mittelweg bei einer maximal hohen Auszahlung und gleichzeitig möglichst nachhaltiger Dauer anzusehen. 

Wie in der letzten Grafik (der ein anderer Zeitraum zugrunde liegt) gut zu erkennen, fällt die Erfolgsrate (die Rate die beschreibt bei wie vielen Simulationen am Ende der Periode noch Geld vorhanden war) nach einer Entnahmerate von 4% stärker ab. Bei einem Portfolio bestehend aus 50% Aktien und 50% Anleihen wäre die Erfolgsrate bei der Erhöhung der Entnahmerate um nur einen Prozent auf 5% bereits weniger als 75%. Das bedeutet in mehr als einem Viertel der Fälle hätte man bei jener Konstellation das Vermögen vor Ende der Periode bereits aufgebraucht. Bei einer 4% Entnahmerate wäre dieses Szenario wesentlich unwahrscheinlicher. 

Die 4% Entnahme-Rate wird daher auch Sustainable Withdrawal Rate (SWR) genannt und ist unter vielen Anleger:innen als “4% Regel” bekannt. Im Umkehrschluss lässt sich daraus ableiten, dass Anleger:innen etwa das 25-fache ihrer jährlichen Ausgaben an Depotvolumen benötigen um die finanzielle Freiheit zu erreichen.

Dennoch sollte beachtet werden, dass diese Simulation auf Daten der Vergangenheit beruht und somit nicht zwangsläufig auch für die Zukunft gilt. Insbesondere deshalb, weil die Portfolios in jener Studie lediglich US Aktien enthielten, welche im betrachteten Zeitraum eine besonders positive Performance verzeichneten. 

Quelle: Philip L. Cooley, Carl M. Hubbard and Daniel T. Walz, February 1998 – AAII Journal: „Retirement Savings: Choosing a Withdraw Rate that is sustainable“

Autor: Oskar Flegel

Ein Exkurs und eine Einladung, unsere Welt neu zu denken

In unserer immer schneller verändernden Welt und der stetig präsenten Gefahr des Klimawandels steht Nachhaltigkeit immer mehr im Fokus unserer Gesellschaft. Warum es so schwierig ist nachhaltige Prozesse zu schaffen, in denen wirtschaftliche, soziale sowie ökologische Aspekte im Einklang sind, erklärt die Nachhaltigkeitsforscherin Maja Göpel in ihrem Buch „Unsere Welt Neu Denken: Eine Einladung“. Passend zu der bevorstehenden Bundestagswahl in diesem Monat, möchte ich euch deshalb gerne einen kleinen Einblick in dieses Buch gewähren. Denn um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gemeinsam zu meistern, ist ein kritisches Hinterfragen unserer traditionellen Denkmuster sowie ein Umdenken erforderlich.  

Göpel beschäftigt sich in ihrem Buch schwerpunktmäßig mit unserem auf unendliches Wachstum ausgerichtetes Wirtschaften, wobei sie sich vor allem auf die traditionellen ökonomischen Theorien hinreichend von Adam Smith bis Thomas Piketty bezieht. In der klassischen Wirtschaftstheorie wird der Mensch als Egoist beschrieben, da er immer mehr produzieren möchte, um höhere Gewinne zu erzielen. Wie Göpel anmerkt, tut er dies ohne jegliche Rücksicht auf die Natur. Über die Knappheit unserer Ressourcen möchte dieser Mensch nichts wissen. Deshalb vergleicht Göpel unsere Art von Wirtschaften auch mit einem endlos laufenden Förderband, das im starken Kontrast zu dem in der Natur gegebenen nachhaltigen Kreislauf steht. Laut Göpel läuft dieses Förderband auf Hochtouren, ohne dass Zeit für Regenerierung zugelassen wird. So entnehmen wir exponentiell begrenzte Ressourcen aus unserer Umwelt, die dann im Förderband zu Produkten umgewandelt werden, die unseren unersättlichen Hunger für Konsum versuchen zu stillen. Am Ende dieses Förderbands entsteht neben den Produkten Müll, der für niemanden – weder Mensch noch Tier oder Umwelt – weiterverwertbar ist.  

Nach Nachhaltigkeit klingt das beschriebene System nicht wirklich, weshalb sich Göpel die Frage stellt, warum weiterhin der Ansatz von blindem Wirtschaftswachstum verfolgt wird – trotz der bereits bekannten Mängel und Ungerechtigkeiten. Ihre Antwort darauf ist, dass bis jetzt die alleinigen Kenngrößen unseres Wirtschaftens Geld und Preis sind. Als einfaches Beispiel nennt sie das Bruttoinlandsprodukt (BIP), anhand dessen die wirtschaftliche Leistung in einer Volkswirtschaft gemessen wird. Die Problematik besteht darin, dass auf Grundlage des BIPs – einer Zahl – relevante politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entscheidungen getroffen werden. Und das, obwohl das BIP viele bedeutsame Aspekte gar nicht erst miteinberechnet, wie beispielsweise das Wohlergehen einer Nation oder die Höhe der Schadstoffausstöße bei der Produktion von Gütern.  

In der Vergangenheit haben die beschriebenen ökonomischen Konzepte zwar funktioniert, aber zukunftstauglich sind sie in Anbetracht der steigenden Anzahl von globalen Herausforderungen nicht mehr. Deshalb ist ein Umdenken von höchster Relevanz. 

Für viele Leser:innen wird der Inhalt der Themen wahrscheinlich nicht neu sein. Vielleicht fragst du dich nun, weshalb ich dir dann dieses Buch vorstelle und empfehle zu lesen? Die Antwort ist simpel: es ist die Art und Weise wie Göpel ökologische, politische, wirtschaftliche und soziale Ideen und Denkmuster miteinander verbindet und somit eine umfassende Übersicht der Komplexität von nachhaltigem Wirtschaften schafft. Und das alles in einem sehr angenehmen und ansprechenden Schreibstil, der für alle zugänglich ist.  

Göpels Plädoyer an uns Leser:innen, welches bereits zu Beginn erwähnt wurde ist, dass ein Umdenken von uns Menschen als Individuen benötigt wird, aber auch genau dieses Umdenken in unsere gesellschaftlichen bis hin zu wirtschaftlichen Strukturen und Institutionen integriert werden muss. Denn der Konsens, dass gesellschaftliche, ökonomische und ökologische Ziele in einem Interessenkonflikt zueinanderstehen, ist schlichtweg falsch. Wir benötigen eine neu gedachte Welt, die zukunftsfähig ist. Denn eine kaputte Erde lässt uns Menschen auch nicht heil.  

Quelle: „Unsere Welt neu denken“ von Maja Göpel

Autorin: Anastasija Djokic

Bildrechte: © Ullstein Verlag

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